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Die Sage von Wessobrunn

Herzog Tassilo oblag dem edlen Weidwerk mit großem Eifer. Nur in Begleitung eines Dieners jagte er besonders in den wildreichen Wäldern um den Ammer- und Würmsee und in der Gegend des Peißenbergs.

Eines Tages nun, es war ein Heißer Julitag und selbst im kühlen Wald machte sich die Schwüle bemerkbar, verirrte sich der junge Herzog mitsamt seinem Knechte. Trotz allen Suchens konnten sie die Jagdhütte nicht mehr finden, wo für ihr leibliches Wohl alles hergerichtet war. Vor Durst halb verschmachtet, legte er sich ins weiche Moos und schlief ein. Da hatte er einen merkwürdigen Traum. Über ihm schien sich die Himmelsdecke zu öffnen, aus ungeheurer Höhe senkte sich eine Leiter herab, und alsbald eilten ganze Scharen von Engeln, alle in feinste silberdurchwirkte Schleier gehüllt und mit großen goldenen Flügeln rauschen, die Leiter hernieder.  Dann schöpften sie aus einer frisch sprudelnden Quelle klares durchsichtiges Wasser in kristallne Krüge und eilten damit wieder die Leiter empor, höher, immer höher, bis sie im Blau des Himmelsgewölbes verschwanden.
Tassilo erwachte, noch ganz befangen von dem Traum und blickte staunend umher. Rings herrschte die weihevolle Stille des Waldes, nur das Summen der Insekten war zu hören. Da vernahm er die Stimme seines Knechtes. "Gnädigster Herr, ich habe eine herrliche Quelle entdeckt und gleich in nächster nähe davon ist ein Fußweg, der zu unserer Hütte führt". " Du bist ein Sonntagskind, Wesso", bemerkte der Herzog mit gütigem Lächeln. Dann erzählte er ihm den Traum, schöpfte aus dem herrlichen Quell und erquickte seinen ermatteten Leib.
"Des Brunnens", sprach er hocherfreut, "wollen wir auch in Zukunft dankbar gedenken und bei ihm zunächst eine Kapelle errichten lassen - Wessobrunn soll sie ihrem Entdecker zu Ehren geheißen sein".

                                                                                                Nach Alfons Steinberger